Das Buch *Neptune, qui ose va vivra!* von Christophe Agnus enthält einen ungewöhnlichen Bericht: die Geschichte einer Weltumsegelung mit einem Segelboot, die von einem an Parkinson erkrankten Crewmitglied (u. a.) durchgeführt wurde. Der Autor, der mit maritimen Themen und spannenden Romanen vertraut ist, liefert hier eine Erzählung, die in der Realität der Hochseeregatten verankert ist, weit entfernt von heroischen oder fantasievollen Figuren. Anhand der Erfahrungen von Bertrand Delhom werden die Herausforderungen des Segelns mit einer Mannschaft, die sich nicht kennt, des Lebens an Bord eines alten Bootes und der physischen Grenzen, die verschoben werden, deutlich.
Neptun: zwischen Kulturerbe und Hochseerennen
Neptune ist ein 1977 für die Whitbread gebautes, 18,60 Meter langes Segelschiff. Sie wurde 2022 grundlegend überholt, um am Ocean Globe Race 2023 teilnehmen zu können, das als Boot von besonderem Interesse für das Kulturerbe eingestuft wurde. Dieses Rennen, das die Verwendung von GPS und Wetterrouting verbietet, schreibt eine traditionelle, anspruchsvolle Navigation vor, die vor allem für ein Segelboot dieser Generation besonders anstrengend ist. Das Buch gibt die technischen Zwänge dieser Vorbereitung und der Segeltörns genau wieder und beschreibt gleichzeitig ein schweres, robustes, aber alterndes Boot, bei dem jedes Manöver Energie und Koordination erfordert.
Navigation ohne Elektronik: Zurück zu den Grundlagen
In der Tradition des ursprünglichen Whitbread-Rennens schreibt das Ocean Globe Race eine Navigation nach Gefühl vor, mit Sextant, Papierkarten und ohne Wettervorhersage. Diese Rückkehr zu den Grundlagen der Navigation wird in dem Buch gut erklärt, wobei auch die Grenzen dieser Rückkehr aufgezeigt werden. Die Bedingungen, insbesondere die BLU-Übertragungen, werden überhaupt nicht mehr genutzt, was ein echtes Informationsdefizit im Vergleich zu dem Rennen vor 50 Jahren darstellt. Der Organisator wird als unparteiisch dargestellt.
Bertrand Delhom ist trotz seiner Erkrankung voll in die Mannschaft integriert, übernimmt seine Wachen, nimmt an den Manövern teil und hebt sogar die Moral der Mannschaft, die in manchen Turbulenzen zu ihrem Kitt wird.

Parkinson an Bord: Alltag, Müdigkeit und Umgang mit der Krankheit
Der ungewöhnlichste Teil der Erzählung besteht in der Konfrontation zwischen der neurodegenerativen Krankheit und den Anforderungen einer Hochseesegelreise. Bertrand Delhom ist kein Passagier, sondern ein vollwertiges Besatzungsmitglied. Seine Krankheit erfordert langsamere Bewegungen, Schmerzen und anhaltende Müdigkeit. Das Buch beschreibt, wie sich die Mannschaft organisiert, ohne ihn zu überbehüten, im Sinne einer aktiven Solidarität, ohne Paternalismus. Die Rolle des Sports bei der Verlangsamung der Krankheit wird thematisiert, nicht als medizinische Lösung, sondern als Lebensentscheidung.
Zusammenhalt der Mannschaft und menschliche Herausforderungen an Bord
Acht Monate lang zu sechst zu segeln, erfordert eine millimetergenaue Organisation. Die Erzählung geht auf die Spannungen, die Enge, die offenen oder verdeckten Konflikte ein. Neptun wird zu einem sozialen Mikrokosmos, in dem jeder mit den anderen zurechtkommen muss, trotz Erschöpfung oder Seekrankheit. Christophe Agnus gelingt es hier, die Komplexität des Lebens an Bord zu zeigen, weit entfernt von jeglicher Idealisierung, indem er sich auf die wechselseitigen Aussagen der Besatzungsmitglieder stützt.

Eine rigorose Schreibweise im Dienste der Realität
Christophe Agnus' Schreibstil bleibt nüchtern und präzise, ohne nach billigen Emotionen zu suchen. Man findet seine Verbundenheit mit der Seefahrt und ihren diskreten Figuren wieder, wobei er sich auf zahlreiche Zitate stützt, die er aus seiner maritimen Kultur entnommen hat. Die Geschichte ist weit mehr als ein einfaches Logbuch einer Weltumsegelung, sondern eine Lektion, um nicht länger zu zögern, seine Träume zu verwirklichen.

Neptun, wer wagt, wird leben! - Chritophe Agnus
- Glénat-Verlag
- Veröffentlichungsdatum: 17 September 2025
- 14 x 22,5 cm
- 184 Seiten
- 19,95 ?